text: Max Wenisch
„Unsere Freiheit ist heute lediglich der Entschluss, die Freiheit zu erkämpfen“, sagte einst Jean-Paul Sartre, einer der bedeutendsten französischen Philosophen zum Thema Freiheit. Zwei Regionen Europas, die unter der Kontrolle zweier großer Staaten stehen, verbindet dieser Satz seit Jahrhunderten auf schicksalhafte Weise: die baskische Unabhängigkeitsbewegung und die Republikanische Bewegung in Irland. Vor allem an der Frage der Menschen- und Bürgerrechte entzündeten sich deren Kämpfe immer wieder aufs Neue.
Für das Baskenland, eine freiheitsliebende Region im Norden Spaniens begann der Kampf um Unabhängigkeit in der Endphase des Ersten Weltkriegs im Jahr 1917. So richtig entbrannte der Kampf mit der Gründung der zweiten spanischen Republik und dem Bürgerkrieg mit den Putschisten um Franco. Mit dem Sieg des spanischen Generals begann die Leidenszeit für die Minderheiten in Spanien, darunter auch die Basken. Ab diesem Zeitpunkt sahen sich die baskischen Nationalisten zahlreichen Repressionen des Staates ausgesetzt. So wurde die baskische Regierung abgesetzt, die baskischen Parteien verboten und deren Mitglieder verhaftet, ermordet oder ins Exil gezwungen. Gegen diese Unterdrückung wehrten sich die Studenten und Arbeiter im Baskenland und bildeten zahlreiche militante, linksnationalistische Gruppierungen unter ihnen auch die mächtige Euskadi ta Askatasuna (ETA). Nachdem Ende der Franco Ära 1975, gingen diese Vorfälle trotz seines Todes weiter, so waren im Jahr 2007 insgesamt 800 Personen politisch inhaftiert.

Schon bevor Francos Repressalien das Baskenland unterdrückten, begann sich in einem Land weiter nördlich, ebenfalls eine Organisation gegen die Unterdrückung des eigenen Volkes zu wehren. Seit Anbeginn seiner Geschichte war das Gebiet Irlands von verschiedenen Völkern besetzt, ehe ab dem Mittelalter die Engländer das Gebiet besetzten und schließlich im 17. Jahrhundert begannen, die gesamte irische Insel zu kolonialisieren. Im Jahr 1916 brach in Dublin der Osteraufstand aus, der schließlich niedergeschlagen wurde, aber ein irisches Nationalbewusstsein erweckte. Dieses Bewusstsein mündete schließlich in einem Krieg gegen die britische Besatzungsmacht. Mit dessen Ende wurde jedoch der Norden des Landes abgespalten und dort ein Apartheidstaat eingerichtet. Wie Uschi Grandel (58), die sich schon lange mit dem Thema der Menschen- und Bürgerrechte in Irland und dem Baskenland beschäftigt, erzählt, wurden „die Iren (die im Norden lebenden; Anm. des Redakteurs), als innere Feinde angesehen, die keine Rechte besaßen und durch Minderheitsparteien vertreten wurden, die gegen die pro britische Parteien keine Chance hatten“. Hierzu gehörte auch, dass die Iren bestimmten Arbeiten nicht nachgehen durften, keine Sozialwohnungen bekamen und in abgeschotteten Vierteln leben mussten. Gegen diese Ungerechtigkeiten begann sich vor allem die Jugend zu wehren, die in der Irish Republican Army (IRA) einen bewaffneten Kampf begann.

Beide Konflikte sind inzwischen zwar beendet, in Nordirland durch das Karfreitagsabkommen von 1998 und im Baskenland mit der Verkündung zur „definitiven Beendigung der bewaffneten Aktivitäten“ durch die ETA. Doch was haben sie verändert und was hat sich getan vor allem in puncto Bürger- und Menschenrechte?
Beginnen wir in Nordirland. Dort hat sich mit dem Karfreitagsabkommen ein Prozess in Gang gesetzt, den Uschi Grandel als „Demokratisierung Nordirlands“. So hat Nordirland ein eigenes Parlament mit eigener Regierung, auch die irische Minderheit hat Rechte hinzugewonnen und es sind Fortschritte in Sachen Demokratie gemacht worden, wenn man es an normalen demokratischen Standards messe, sei noch ein gewaltiger Weg zu gehen, so Grandel. Auch in den politischen Verhältnissen ist eine Veränderung zu beobachten, denn die Parteien, die sich für ein unabhängiges Nordirland haben inzwischen ihre Wahlergebnisse verbessert und ein höheres Gewicht gegenüber den probritischen Parteien, die republikanische Bewegung hat eine große Zustimmung in der Bevölkerung von etwa 30 % in ganz Nordirland und 60 – 70 % in den irischen Vierteln.

(Foto: Jonathan Porter/PressEye/dpa)
Auch wenn es sich der spanische Staat wünschen mag, hat sich die Situation im Baskenland, im Vergleich dazu noch nicht wirklich verbessert. Seit dem Rückzug der ETA hat sich zwar die Lage beruhigt, laut Grandel, sei die Gesamtlage dort immer noch sehr schwierig, da der Konflikt noch keine Lösung habe, die beide Seiten unterstützten. An dieser Problematik ist wohl auch die spanische Regierung. Aus ihrer Sicht sind im Baskenland Terroristen.
am Werk. Dies beeinflusst nicht nur die Lösungsfindung, sondern auch die Aufarbeitung. Vor allem die Zeit der Franco-Ära und der ETA-Ära wird weiterhin nur sehr langsam vollzogen, vor allem das Thema des Antiterrorkampfs und dazu gehörend die Willkürgerichte, wie das Schnellgericht Audiencia Nacional in Madrid, die Polizeigewalt, sowie die Misshandlungen und Folter, die angezeigt und nicht verfolgt wurden. Zahlreiche Gerichtsentscheidungen werden derzeit neu untersucht. Laut Grandel, aber nicht auf Betreiben des spanischen Staates, sondern nach Urteilen des Europäischen Menschengerichtshof in Straßburg, der insgesamt sechs oder sieben Urteile gegen den spanischen Staat, ausgesprochen habe und Urteile spanischer Gerichte aufhob. Zu diesen Fällen gehören entweder lange Haftstrafen, die zu Unrecht ausgesprochen wurden oder Strafen, die völlig zu Unrecht verhängt wurden oder Fälle, in denen er angezeigte Folter nicht weiter untersucht hat. Für die 58-Jährige zeigten diese Fälle, wie wenig Rechtsstaatlichkeit im spanischen Staate selbst vorhanden ist. Zum Glück gibt es zahlreiche Männer und Frauen, die sich im Baskenland in politischen und gesellschaftlichen Organisationen engagieren und weiterhin auf diese Missstände hinweisen. Von deren Arbeit weiß die studierte Physikerin ebenfalls zu berichten. Sie unterscheidet zwischen Bürger- und Menschenrechtsorganisationen, die sich allgemein die Situation im Baskenland anschauen und daran arbeiten, Organisationen, die sogenannten Memoriaorganisationen, die, das Erbe Francos aufarbeiten, weil in vielen Fällen noch nicht mal die ganzen Opfer, die irgendwo verscharrt worden sind, bekannt seien. Dazu gebe es Initiativen in ganz Spanien, die seit einigen Jahren solche Sachen lokal aufarbeiten und auch untereinander vernetzt sind. Dann gibt es natürlich Antifolterorganisationen, die sich mit dem speziellen Fall von Folter und Misshandlungen beschäftigen und es gibt die politischen Organisationen, die linke Unabhängigkeitsorganisation, die für ein unabhängiges Baskenland eintritt. Diese Unabhängigkeitsorganisation und die Parteien, die sich für ein unabhängiges Baskenland einsetzen, sind auch in der Bevölkerung akzeptiert: Ein Drittel der Bevölkerung unterstützen sie, nur die Partido Nacionalista Vasco hat mehr.

Zusammengefasst ist die Situation in den beiden Staaten auf einem guten Weg, auch wenn sie unterschiedlich weit in ihrer Entwicklung sind. Beispiele wie das Baskenland und Nordirland zeigen, dass es sich lohnt, für seine Freiheit zu kämpfen und sich für Menschen- und Bürgerrechte einzusetzen. Sie zeigen auch wie wichtig es ist sich für Demokratie und Selbstbestimmung einzusetzen. Jedoch darf trotz all dem was die Bewegungen Positives erreicht haben, nicht vergessen werden, dass die Herangehensweisen sowohl der IRA, als auch der ETA, brutal und rücksichtslos waren und das ihre Aktionen, viele unschuldige Opfer forderte.