TimeLine: Alisha Baum
Text: Patricia Liederbach,
Tessa scherf,
Alisha Baum,
laura ienco,
nele hardt
Mit Radiotelevisión Española (RTVE) hat Spanien seine eigene öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, die 1956 gegründet wurde. Anders als das deutsche Rundfunksystem hat RTVE keinen Auftrag, der der Öffentlichkeit verpflichtet ist.
Radiotelevisíon Española ist in öffentlicher Hand und wird ausschließlich aus Steuergeldern finanziert. In Spanien gibt es keine Rundfunkbeiträge oder Gebührenfinanzierung. Im Jahr 2010 wird ein Gesetz verabschiedet, das die Werbeeinnahmen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschafft. Dies hat zur Folge, dass dem öffentlich-rechtlichem Rundfunk jährlich Einnahmen von rund 600 Millionen Euro verloren gehen. Außerdem wird Ende 2011 von der spanischen Regierung verkündet, dass im Zuge von allgemeinen Sparmaßnahmen, der RTVE-Haushalt für 2012 um 204 Millionen Euro gekürzt wird, was rund einem Viertel der Gesamteinnahmen von RTVE entspricht.
In jüngster Zeit gibt es von spanischen Bürgern und Journalisten viel Kritik, dass der Sender zu unkritisch und regierungsfreundlich berichtet. Der Vorwurf: RTVE werde durch die spanische Regierung in Form von Sparmaßnahmen und sogar Entlassungen „missliebigen Personals“ beeinflusst. Besonders bei heiklen Themen wie dem Konflikt um die katalonische Unabhängigkeit mische sich die Regierung zu sehr in die Berichterstattung ein. Die RTVE wird zwar durch einen extra für sie bereitgestellten Kontrollausschuss kontrolliert und reguliert, doch dieser gehört dem spanischen Parlament an und ist somit nicht grundsätzlich staatsfern wie die Rundfunkräte im deutschen System.
Doch nicht nur die RTVE wird manipuliert, sondern auch andere Medien, wenn auch nicht direkt durch die Regierung. Die Medienlandschaft in Spanien ist von wenigen großen Konzernen geprägt. Diese sympathisieren oftmals mit rechtsorientierten Parteien, „weil die ‚netter‘ im Umgang mit Geschäftsleuten sind“, erzählt der spanische Student David Perez, der sich zu einem Erasmus-Semester an der Hochschule Darmstadt aufhält. Den Einfluss dieser Konzerne sähe man gut anhand der Auswahl von veröffentlichten Informationen sowie der Handhabung von News. Er nennt ein Beispiel: „Wenn es in einer rechten Partei einen Korruptionsskandal gibt, dann wird das in den Massenmedien kaum oder gar nicht erwähnt. Wenn es solch einen Skandal hingegen bei den Linken gibt, gibt es in den Massenmedien tagelang kein anderes Thema.“
Laut einem Bericht des Europäischen Zentrums für Informationsvielfalt und Meinungsfreiheit nimmt Spanien einen Spitzenplatz in der Liste der Länder ein, in denen die politische Unabhängigkeit der Medien gefährdet ist. Im Privatfernsehen bilden die Medienkonzerne Mediaset und Atresmedia ein klassisches Duopol und kontrollieren rund 55 Prozent der Sendezeit. Die öffentliche Meinung wird durch drei große Verlagshäuser geprägt: PRISA, Vocento und PLANETA. Die linke EU-Abgeordnete Marina Albiol kritisiert die fehlende Kontrolle in der spanischen Berichterstattung. Kommerzielle Gruppen kontrollierten den Markt und die Menschen könnten nur gerecht informiert werden, wenn keine reichen Konzerne mehr hinter den Medien ständen.
Auch Ramiro Villapadierna, Direktor des Cervantes-Instituts in Frankfurt, ist der Meinung, dass der spanische Journalismus im Gegensatz zum deutschen nicht im Dienst der Gesellschaft stehe, sondern dass die spanische Presse „immer etwas an der politischen Seite bleibt“.
Durch die allgemeine Wirtschafts- und Finanzkrise ist Spaniens Mediensystem seit Jahren von Personalabbau, rückläufigen Umsätzen und Profiten, „Pressekrise“ und Regierungsinterventionen geprägt. Die Medienunternehmen werden stetig abhängiger von Bankenkrediten und branchenfremden Investoren. Der führende Medienkonzern in Spanien ist die PRISA-Gruppe mit einem Umsatz von rund 1,4 Millionen Euro. PRISA lässt 2010 den Finanzinvestor Nicolas Berggruen mit rund 650 Millionen Euro einsteigen. Danach unterzieht sich der Medienkonzern einem Strukturwandel, weg vom traditionellen Journalismus, hin zu Pay-TV und Internetgeschäften. Zu PRISA-Gruppe gehören nicht nur die führende Tageszeitung El País, sondern auch die Sportzeitung Diario As sowie der Hörfunknachrichtensender Cadena SER, und im Fernsehen Sogecable, das führende spanische Pay-TV-Unternehmen.
2012 werden, auf Grund von Sparmaßnahmen, ein Drittel der journalistischen Belegschaft beim linksliberalen Prestigeblatt „El Pais“ entlassen und die Löhne um rund acht Prozent gekürzt. Zugleich halten die El Pais-Redakteure dem Konzernchef Juan Luis Cebrian vor, sein Gehalt bereits in den Krisenjahren 2010 und 2011 stark erhöht zu haben. Im spanischen Pressemarkt falllen die Werbeeinnahmen allein 2012 um 20,6%, der Einbruch des klassischen Print-Anzeigengeschäfts kann auch hier zunächst nicht durch Steigerungen der Online-Werbeeinnahmen kompensiert werden.
Unabhängig sind in Spanien hauptsächlich jene Medien, die nicht den großen Konzernen zuzuordnen sind, so dass sie hauptsächlich direkt durch die Leser finanziert werden. Dadurch sind sie in ihrer Berichterstattung neutraler und objektiver als die großen Massenmedien.
Cervantes-Direktor Ramiro Villapadierna ist der Ansicht, dass die durch Digitalisierung und Finanzkrise verursachte Krise nicht nur eine simple Pressekrise sei, sondern auch eine Krise der Identität, in der man sich die Frage stellen muss, was die eigentlichen Interessen sind: „Die Leser? Der Google-Algorithmus? Und dann hat man begonnen schlechten Journalismus zu machen.“
