Interview: Alisha Baum und Nele Hardt
Transkription: Alisha Baum
Seit dem 1. Januar 2015 ist Marc Dugge Auslandskorrespondent im ARD-Studio Madrid. Der Hesse war hautnah dabei, als Spanien das Unabhängigkeitsreferendum der Katalanen für verfassungswidrig erklärte und als Gewinner der Spanischen Weihnachtslotterie gezogen wurden.
Wir sprachen mit dem hr-Journalisten über seine Tätigkeit, wie er überhaupt in Madrid gelandet ist, was die spanische Arbeitsmentalität von der deutschen unterscheidet und darüber, was er am meisten aus Deutschland vermisst.
Herr Dugge, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns nehmen. Sie befinden sich ja gerade nicht in Spanien, sondern in Ihrer Heimat. Wie oft verschlägt es Sie dorthin?
Marc Dugge: Ich komme etwa alle zwei/drei Monate nach Deutschland. Jetzt bin ich hier, weil ich an Weihnachten in Madrid sein muss und mein Vater heute Geburtstag hat. Also mache ich meinen Weihnachtsbesuch sozusagen ein bisschen früher.
Wie sind Sie denn überhaupt Auslandskorrespondent im ARD-Studio Madrid geworden?
Der Hessische Rundfunk hat einige Auslandsplätze, deren Federführung er für die ARD inne hat. Und da gehört das Studio in Madrid dazu; es gibt noch andere in LA, Rabat in Marokko oder Brüssel, aber das Madrider Studio ist eines der größeren.
Ich war vorher Afrika-Korrespondent im Studio Rabat und damals habe ich schon immer gedacht „Ach, Madrid wär‘ auch mal ganz schön“.
Ich habe bereits in Marokko Spanisch gelernt, beziehungsweise ich habe damit angefangen. Es war noch lange nicht perfekt, als ich von dort weg bin. Dann kam ich erst mal nach Frankfurt zum hr-info zurück, wo ich dann zweieinhalb Jahre lang war. In der Zeit ergab es sich dann, dass die Korrespondentenstelle in Madrid vakant wurde und dass mich meine Chefin dann gefragt hat, ob ich es mir vorstellen könnte dorthin zu gehen. Ich habe dann noch ein wenig an meinem Spanisch gefeilt, gelegentlich eine Studiovertretung gemacht und zum 1. Januar 2015 bin ich dann in Madrid gelandet.
Sie haben ja gesagt, dass Sie öfters mal in der Heimat sind. Was vermissen Sie denn am meisten?
In erster Linie sind es natürlich schon die Freunde und Familie, die einem dann doch mal fehlen. Wobei man sagen muss, dass Madrid ein sehr attraktiver Ort ist, weshalb die dann gerne einfach mal selbst vorbei kommen. Insofern ist die Sehnsucht dann auch Gott sei Dank meistens zeitlich begrenzt.
Es fehlen einem aber natürlich noch ein paar andere Sachen: Klar, ab und zu mal ein gutes Brot ist schon nicht schlecht und das lasse ich mir dann auch gerne mal mitbringen, aber es ist in Spanien doch schon viel besser geworden. Es gibt nicht nur so Weißbrotstangen, sondern mittlerweile auch wirklich gutes Brot im Regal.
Gerade im Sommer vermisst man aber auch das deutsche Klima. Das ist in Madrid schon heftig. Wenn wir dann ein paar Tage lang mal so 40 Grad haben und es gar nicht mehr abkühlt, dann denkt man sich auch „Ach, jetzt säß ich gerne in Frankfurt auf dem Balkon“ und würde gerne im Kühlen schlafen ohne die ratternde Klimaanlage im Hintergrund. Das sind so die Momente, wo es manchmal hochbrandet.
Aber man muss natürlich auch sagen, dass Madrid zweieinhalb Stunden mit dem Flugzeug entfernt ist und dass es deshalb auch durchaus machbar ist, auch mal über ein Wochenende nach Hause zu fahren, wenn es geht. Es ist nur immer ein ziemlicher Akt, weil man als Korrespondent eben dafür sorgen muss, dass man in der Zeit vertreten wird. Ich kann mich nicht einfach ins Flugzeug setzen, wenn mir danach ist, sondern ich muss dann auch sehen, dass mein Kollege da ist – der Oliver Neuroth zum Beispiel –, der dann für mich die Stellung hält oder genauso auch umgekehrt. Insofern haben wir auch Monate voraus schon eine Planung, damit sich der andere darauf einstellen kann.
Haben Sie in Ihrer bisherigen Zeit in Madrid Unterschiede zwischen der deutschen und der spanischen Arbeitsmentalität festgestellt?
Ich kann jetzt nur von meinem direkten Umfeld berichten, wir arbeiten im Büro ja mit Spaniern zusammen. Da sind sich die Arbeitswelten schon sehr ähnlich, wenngleich es üblicherweise schon so ist, dass in Spanien die Arbeitstage sehr viel länger sind. Aber nicht mal von den Arbeitsstunden her, sondern vor allem von der zeitlichen Dauer: Der Spanier geht eigentlich morgens in der Regel etwas später ins Büro als wir. Also wenn wir um neun Uhr im Büro sind, ist es bei ihm vielleicht 9:30 Uhr oder sogar zehn Uhr. Er bleibt dann aber auch oft bis acht oder neun Uhr abends, was einfach daran liegt, dass es eine ganz ausgedehnte lange Mittagspause gibt, die vielen Spaniern überhaupt nicht gefällt. Das kommt noch aus alten Zeiten, als man noch die Siesta gemacht hat und eine lange Mittagspause hatte.
Viele Spanier sagen aber, dass sie auch lieber einen kürzeren Arbeitstag hätten, um noch Zeit für die Familie und zum Kochen oder so zu haben, weil sich das alles wahnsinnig weit nach hinten rausschiebt. Es wird dann eben erst abends um zehn Uhr gegessen und dann geht man unter der Woche bald darauf ins Bett und muss dann trotzdem wieder früh aufstehen, um beispielsweise die Kinder für die Schule fertig zu machen. Es ist also nicht so ideal und es gibt immer wieder Versuche das zu ändern, aber damit kommen sie nicht so recht durch.
Ansonsten staune ich, was die Spanier immer noch neben ihrer Arbeit machen: Manche haben auch zwei oder drei Jobs, denen sie nachgehen. Insgesamt wirkt es oft auf mich als etwas stressfreier als es bei uns ist, beziehungsweise etwas von besserer Laune getragen, was ich sehr angenehm finde. Man merkt den Menschen zum Beispiel auch nur selten an, wenn sie schlecht gelaunt sind, was in Deutschland etwas anders ist.
Wenn viele neben ihrer eigentlichen Arbeit noch andere Jobs haben – heißt das, dass man in Spanien nicht vom Journalismus leben kann?
Das ist sehr unterschiedlich. Wenn Sie eine gute Stelle haben oder Redakteur sind, dann ist das schon ganz okay. Wenn Sie Freelancer, also freier Journalist sind, wird es schon hart. Also ich weiß, dass die Honorare von vielen Zeitungen, Radio- und Fernsehsendern einfach sehr schlecht sind und dass man sich dort dann auch noch einen Nebenverdienst suchen muss, wenn man da noch nicht gut im Geschäft ist.
Ich wundere mich selbst auch immer wieder, wie viele Medien es dann trotzdem in Spanien noch gibt. Es gibt immer noch eine große Vielfalt an Zeitungen, Radio- und Fernsehprogrammen und dann kommen natürlich noch die ganzen Onlinemedien hinzu, die teilweise sehr guten Journalismus machen. Da frage ich mich dann erst recht, wie die sich eigentlich alle tragen.
Ich glaube, in Spanien gilt das wie sonst auch – aber da vielleicht noch ein bisschen mehr – dass eben zum Journalismus auch immer ein bisschen Herzblut dabei sein muss. Wer es nur für’s Geld verdienen macht, ist vielleicht in einer anderen Branche besser aufgehoben.
Wie ist das denn mit den Mediensystemen? Ist das spanische duale Rundfunksystem mit dem in Deutschland zu vergleichen?
Jein. Also es gibt in Spanien eben auch sehr viele private Radio- und Fernsehstationen. Das öffentlich-rechtliche System wie wir es in Deutschland kennen, kennen die Spanier allerdings so nicht. Die haben tatsächlich ein staatliches Radio- und Fernsehsystem. Das bedeutet, dass der staatliche Rundfunk komplett vom Haushalt des Staates abhängig ist. Das heißt, wenn es einen Regierungswechsel gibt, können zum Beispiel das Budget gekürzt und Stellen in Redaktionen ausgetauscht werden. Das heißt nicht, dass wir beim staatlichen spanischen Fernsehen jetzt nur reine Regierungslinie haben. Aber man merkt manchmal eben schon so Nuancen.
Wenn ich mich umfassend in Spanien informieren will, dann komme ich nicht umhin, mir auch verschiedene Sender anzuschauen. Es gibt zum Beispiel La Sexta, das ist eher ein linkes Fernsehprogramm. Dann gibt es konservative Fernsehsender wie Telecinco oder auch Telemadrid und das staatliche Fernsehen, was eben ein bisschen mehr die Regierungslinie widerspiegelt. Aber es ist eben ein sehr umstrittenes System, auch in Spanien. Viele unterstellen den Journalisten, die für die verschiedenen Medien arbeiten, auch eine gewisse Geisteshaltung und das geht dann bis hin zu Einseitigkeitsvorwürfen.
Solche Debatten haben wir natürlich auch teilweise in Deutschland, aber in Spanien ist das immer ein wenig polarisierter und wenn wir die Zeitungslandschaft anschauen, ist das noch viel deutlicher.
Wie haben Sie die Katalonien-Krise empfunden? Hat das Ihre Arbeit erschwert und hat sich dadurch das Bild auf die Journalisten verändert?
Für mich und meine Kollegen bei der ARD ist die Katalonien-Krise vor allem sehr stressig gewesen. Wir hatten über Wochen und Monate hinweg eine konstante Arbeitsbelastung, weil dieses Thema ja auch nicht abriss und wir dann ja auch immer in Katalonien waren und hin und her gependelt sind. Beim Radio ist es dann ja auch so, dass man die Frühsendung betreuen muss, da das für uns Radioleute die wichtigste Zeit ist. Beim Fernsehen ist das eher der Abend. Wir haben dann oft bis spät in die Nacht hinein produziert, aber waren dann schon um sechs Uhr morgens wieder auf Sendung. Also das war einfach insgesamt eine ziemliche Belastungsprobe.
Als Auslandskorrespondenten haben wir selbst gemerkt, dass wir schon auch sehr viel Feedback bekommen: Das waren dann Zuschriften von Menschen, die uns meistens eher kritisiert haben, denn Lob kriegt man in Zuschriften eher wenig. Ich habe dann auch viele Mails bekommen, dass wir zu einseitig berichten würden oder dass wir zu katalanen- oder zu madridfreundlich wären.
Wir haben Gott sei Dank nicht das erlebt, was einige meiner spanischen Kollegen erlebt haben. Die sind dann nämlich auch auf der Straße beleidigt worden. Also gerade spanische Kamerateams, die in Katalonien waren, die wurden da oft sehr hart angegangen und auf der Straße beleidigt.
Man merkte schon, dass das ein Thema war, das wahnsinnig polarisiert, und das machte es doch auch sehr anstrengend. Man musste ja auch genau sein bei der Berichterstattung und sich beide Seiten anhören. Aber wenn dann Meinungsstücke von uns gewünscht sind, ist auch klar, dass da eine klare Meinung raus muss, sonst ist das ja auch kein Kommentar und daran reiben sich natürlich die Menschen. Da kriegt man dann viel negatives Feedback, aber auch natürlich positives im Sinne von „Endlich sagt’s mal einer“ oder so. Aber da muss man sich schon ein dickes Fell zulegen.
In Madrid sind Sie ja nicht zum ersten Mal als Auslandskorrespondent tätig. Können Sie sich vorstellen, danach wieder in einem anderen Land zu arbeiten?
Bei uns sind die Vertragslaufzeiten immer begrenzt. In der Regel belaufen die sich auf zwei Jahre plus noch mal drei Jahre Verlängerung, also insgesamt sind es fünf. Manchmal bleibt man etwas länger, manchmal ein bisschen kürzer, das hat auch immer was mit persönlichen Prioritäten und Präferenzen zu tun oder ob man zum Beispiel wieder in der Heimat gebraucht wird.
Bei mir ist es so, dass ich meine Koffer wieder packen und zurück nach Deutschland kommen werde, wenn die Zeit in Madrid vorbei ist. Ich finde das eigentlich auch ein ganz gutes System über einige Jahre immer da zu sein, aber dann auch wieder einen Wechsel zu haben. Denn so bleibt natürlich der frische Blick erhalten. Der nächste Korrespondent wird wieder ganz anders auf das Land schauen als ich das getan habe. Es verlässt einen natürlich nie ganz und manchmal ist man auch noch mal als Vertreter da.
Madrid ist in meinem Fall jetzt auch ein Ort, der mir besonders im Herzen bleiben wird, weil Spanien für mich wirklich ein tolles Land ist und ich mich unter den Spaniern auch extrem wohl gefühlt habe und ich natürlich auch viele persönliche Kontakte geknüpft und viele Freundschaften gewonnen habe.
Ist Ihnen ein Moment aus Ihrer bisherigen Zeit als Auslandskorrespondent in Erinnerung geblieben?
Ich habe jetzt gerade die Tage an einen Moment gedacht, der jetzt fast genau zwei Jahre her ist: Der 22. Dezember ist in Spanien immer der Tag der Weihnachtslotterie,
wo das ganze Land mitfiebert, ob man die richtige Nummer gezogen hat. Man kann ja auch immer sehr schnell zurückverfolgen, wo die Nummer denn vergeben wurde und in dem Fall war es in einem Kiosk in Madrid. Und als wir erfahren haben, dass der Hauptgewinn in Madrid gezogen wurde, bin ich dorthin gefahren und hatte dann ein Livegespräch mit hr1 mit Gewinnern um mich herum und das war so ergreifend. Da war einer dabei, der mir erzählt hat, dass er sich gerade von seiner Frau getrennt hat, dass sie extrem wenig Geld haben und dass er seiner Tochter jetzt etwas Schönes zu Weihnachten kaufen kann. Und dann brach der vor mir in Tränen aus und in dem Moment hatte ich hr1 in der Leitung und sollte erzählen, wie gerade die Atmosphäre ist und ich kriegte meine Worte nicht mehr raus, weil ich selbst so berührt war und musste dann also fast selbst losschluchzen. Das sind so Momente, die einem irgendwie in Erinnerung bleiben.
Vielen Dank für das Interview.

Marc Dugge wurde 1976 im hessischen Bad Homburg geboren. Nach seinem Studium der Politikwissenschaft, Kommunikationswissenschaft und Neueren Deutschen Literatur volontierte er beim Hessischen Rundfunk in Frankfurt, wo er anschließend als Redakteur und Moderator tätig war. Von 2008 bis 2012 leitete Dugge das ARD-Hörfunkstudio in Rabat, Marokko. Seit 2015 ist er Auslands-