Interview: Patricia Liederbach und Nele Hardt
Transkription: Patricia Liederbach
Portrait: Nele Hardt

Ramiro Villapadierna leitet das Cervantes-Institut in Frankfurt.
Das große Büro am Ende des Gangs ist spartanisch eingerichtet. Ein Schreibtisch vor den weiten Fenstern, ein paar Sofas, die ein Viereck um einen Tisch bilden und ein Garderobenständer in der rechten Ecke, über dem ein grauer Mantel hängt. Trotz der kahlen Wände wirkt das Büro bequem. Auf den Tischen und Fensterbänken stapeln sich Zeitungen und Magazine, lose Blätter und Flyer. Und gegenüber dem Schreibtisch hängt ein Porträt des spanischen Königs Felipe VI und seiner Frau Königin Letizia. Vor unserem Gespräch wirkt Ramiro Villapadierna schüchtern, sogar etwas nervös. Sein Deutsch sei etwas eingerostet, er hoffe trotzdem, dass er uns weiterhelfen kann. Kann man es jemandem übel nehmen, ein paar kleine grammatikalische Fehler zu machen, der ganze sieben Sprachen beherrscht? Der Texte in der spanischen, deutschen, englischen, tschechischen, serbischen, kroatischen, bulgarischen und polnischen Presse veröffentlicht hat?
Die Augen des ehemaligen Auslandskorrespondenten leuchten auf, wenn er von seiner Heimat spricht. An Spanien vermisse er am meisten das Licht. „Jedes Mal wenn ich zurück nach Spanien reise, ist es für mich wie eine große Überraschung und ich denke ‚Warum gibt es hier so viel Licht?‘“. Inzwischen ist Ramiro Villapadierna wieder öfter in Spanien. In den 90er Jahren sah das noch anders aus: Als Korrespondent für die spanische Zeitung ABC war er für Mitteleuropa zuständig und berichtete über die politischen und sozialen Veränderungen in den Ostblock-Staaten vom Kalten Krieg bis zum Eintritt in die Europäische Union und später auch über die Balkan-Kriege.
Seine ersten Erfahrungen mit dem Journalismus machte Villapadierna schon als Student. Mit der Arbeit in einer Lokalredaktion hat er sein Studium zuerst als Fotograf, dann als kleiner Redakteur finanziert. Damals, in den 80er Jahren, sah es in den Büros jedoch ganz anders aus als man es heutzutage kennt, erzählt er mit einem Lächeln: „Es gab Whiskeyflaschen auf den Tischen, alle haben geraucht. Das war wirklich noch eine andere Welt des Journalismus.“
1986 wurde er Feuilletonredakteur bei der konservativen Zeitung ABC. „Ich habe in einer sehr alten Tageszeitung angefangen, die noch eine eigene Kultur hatte. Wir hatten viel mehr freie Tage als alle anderen. Das war einfach ein altes Prinzip nach dem Motto ‚ein Journalist macht was er will‘; er muss die Regeln nicht befolgen.“ Anders als in anderen Redaktionen, wurde hier erst um zehn Uhr mit der Arbeit begonnen, dafür ging sie dann jedoch meistens bis spät in die Nacht. „Wenn ich zum Beispiel über eine Veranstaltung berichtet habe, fing diese erst spät am Abend an und danach bin ich nochmal zurück in die Redaktion, um noch Änderungen an meinen Berichten vorzunehmen.“
Als er Anfang der 90er Jahre Auslandskorrespondent wurde, ging für Villapadierna ein Traum in Erfüllung: „Ich war schon immer verrückt danach Auslandskorrespondent zu werden. In der Redaktion habe ich mich immer gemeldet und gesagt ‚wenn es einen Platz gibt, bin ich bereit‘.“ Offenbar konnte er seinen Chef mit seinen Sprachkenntnissen und seiner offenen Haltung gegenüber der flexiblen Arbeit als Korrespondent überzeugen. Für den Job müsse man reisen mögen. Aber nicht so, wie man es normalerweise kenne, denn man sei nur für ein paar Tage oder eine Woche unterwegs. „In Mexiko zum Beispiel war Urlaub machen toll, aber in Mexiko arbeiten zu müssen ist etwas ganz anderes.“
Als eine von wenigen machte seine Zeitung ein neues Büro für Ost-/Mitteleuropa in Prag auf und schickte Villapadierna dorthin, um über die Verhältnisse in Osteuropa zu berichten. Seiner Ansicht nach haben viele Zeitungen damals eine Chance verpasst: „Alle anderen Zeitungen, besonders die modernen, haben dies versäumt. Moderne Tageszeitungen haben sich verkalkuliert und keinen Sinn darin gesehen, ein weiteres Büro außerhalb von Spanien zu öffnen.“ Als in Europa die Wende kam oder während der Balkankriege konnte er als einer von wenigen zeitnah über das politische Geschehen berichten. Ein Teil seiner Arbeit fiel somit unter die Breaking News, die unter anderem bei CNN zu sehen waren. Für Villapadierna ein wichtiger Teil seiner Karriere: „Man fühlte sich nützlich und wichtig. In der Zeit konnte man stolz darauf sein, was man jeden Tag macht.“
Auch wenn Ramiro Villapadierna seit Juni 2012 das Cervantes-Institut in Frankfurt leitet und nicht mehr so auf Achse ist, verfolgen ihn die Erinnerungen aus den Balkankriegen bis heute. Seine Stimme ist belegt, als er darüber spricht, wie ihn die Angst in seinen Träumen heimsucht. Viel mag er über diesen Abschnitt in seinem Leben nicht erzählen. Bei seiner Arbeit wurde er verletzt und kann seitdem nicht mehr so gut hören. Er wurde entführt und inhaftiert und ist diese Erinnerungen bis heute nicht los geworden. „Man muss das verarbeiten, sonst hört das nie auf. Und dann kriegst du Angst und weißt nicht warum. Diese Bilder und Erfahrungen sind definitiv irgendwo tief in dir geblieben und wollen mit dir zurechtkommen.“ Das Thema ist ihm unangenehm, seine Sätze werden kürzer und der vorher so offene Mann, scheint sich nun ein wenig zurückzuziehen. Er schaut öfter auf den Boden und nimmt sich Zeit, die richtigen Worte zu finden. Es fühlt sich seltsam an, zu sehen wie ein so intelligenter und redseliger Mann plötzlich verstummt. Die Stimmung in seinem Büro hat sich geändert und nach über einer Stunde des Gesprächs ziehen wir uns zurück mit dem Gefühl, selbst reicher an wertvollen Erinnerungen geworden zu sein. Sie sind zwar nicht alle fröhlich, aber alle etwas Besonderes.