text: Sabrina Kwasniok

Video zum Erasmusprogramm

Desiderius Erasmus von Rottedam (1466-1536)

Was ist Erasmus?

Das Erasmus-Programm der Europäischen Union wurde 1987 eingeführt. Benannt wurde es nach Desiderius Erasmus von Rotterdam, einem bedeutenden Gelehrten aus dem 15. Jahrhundert. Das Programm bietet Studenten die Möglichkeit, Erfahrungen auf einer Universität im europäischen Ausland zu sammeln. Damals nutzen rund 3000 Studenten pro Jahr die Möglichkeit, das Ausland zu bereisen. Heute haben über neun Millionen Menschen an dem Programm teilgenommen. Denn Erasmus ist längst nicht mehr nur ein Angebot für Schüler und Studenten. Inzwischen trägt es den Namen Erasmus+. Erasmus+ ist das EU-Programm zur Förderung von allgemeiner und beruflicher Bildung, Jugend und Sport in Europa. Seine Mittelausstattung von 14,7 Milliarden Euro soll es Millionen von Europäerinnen und Europäern ermöglichen, im Ausland zu studieren, sich weiterzubilden, Berufserfahrung zu sammeln oder Freiwilligenarbeit zu leisten. Doch ist Erasmus+ wirklich so toll wie alle immer sagen? Wir wollen dieser Frage auf den Grund gehen. Dafür haben wir sowohl mit Studenten als auch mit Dozenten gesprochen, die bereits im Ausland gewesen sind. Mit ihnen gemeinsam schauen wir hinter die Kulissen und stellen uns die Frage, wie realitätsnah Erasmus wirklich ist. Beziehen werden wir uns hierbei auf die Universidad Castellion in Jaume, eine der Media Partnerhochschule der Hochschule Darmstadt. Diese wurde in den letzten zwölf Jahren nämlich erst von fünf Studenten besucht.

Warum ein Auslandsaufenthalt?

Ein Aufenthalt im Ausland bietet viele Vorteile, wie der Film zeigt. Zum einen kann es fördernd für das spätere Berufsleben des Studenten sein. So soll man nach dem Abschluss zum einen schneller ein Jobangebot bekommen. Zudem sollen die Chancen verdoppelt werden, in weniger als einem Jahr nach diesem Abschluss eingestellt zu werden. Zum anderen erhalten ein Drittel der Praktikanten, die mit Erasmus das Ausland besucht haben, einen Job in der Firma angeboten, für welche diese arbeiten. Ein weiterer Vorteil im Berufsleben ist, dass Austauschstudenten mit bis zu 25 Prozent mehr Gehalt entlohnt werden können, da ihre Arbeit als effektiver anerkannt wird. 

Neben den Vorteilen im Berufsleben, hilft ein Auslandsaufenthalt die eigenen Sprachkenntnisse zu verbessern. Der dauernde Umgang mit fremden Kulturen erleichtert sprachliche Barrieren zu verhindern und andere Sitten zu akzeptieren. Zudem ist man während eines Erasmusaufenthaltes meist auf sich allein gestellt und kann so Unabhängigkeit erlernen. Selbstversorgung ist meist Pflicht und hilft, sich auch in fremden Ländern zurechtzufinden. Zuletzt erhöht Erasmus die soziale Mobilität. Durch das Kennenlernen neuer Kulturen wird die Akzeptanz gegenüber diesen erhöht und Vorurteile abgebaut. So können soziale Kontakte länderübergreifend geknüpft werden. Zudem hilft Erasmus Flüchtlingen und Menschen mit ethischem Hintergrund, sodass diese besser integriert und ans Berufsleben herangeführt werden können. Erasmus ist also eine „außergewöhnliche Erfahrung, die man nicht digitalisieren kann.“

In diesen europäischen Ländern wird Erasmus angeboten

 

Warum kein Auslandsaufenthalt?

Trotz der vielen positiven Aspekte, die Erasmus mit sich bringt, gibt es auch negative Aspekte. Zum einen sagt ein Auslandsaufenthalt nichts über die praktischen Fähigkeiten später im Berufsleben aus. Des Weiteren kann die Unabhängigkeit während eines Auslandsaufenthaltes auch als negativ empfunden werden, da man möglicherweise niemanden hat, der einem bei Fragen zur Verfügung steht. Dies kann zu Schwierigkeiten führen. So auch bei der Darmstädter Professorin Silke Heimes, die 2016 für eine Woche in Jaume zum Unterrichten war. „Alles war super unorganisiert und Dozenten teilweise gar nicht anzutreffen.“ Auch die kulturellen Differenzen machen es einem nicht immer einfach. So fand in Jaume beispielsweise immer mittags eine dreistündige Siesta statt, die wir so nicht kennen. Des Weiteren kann es passieren, dass die Universität, welche man besucht, in einem eher abgelegenen Viertel liegt, sodass es zu einem Gefühl der Abschottung kommen kann.

Nicht immer ist es möglich, das gewünschte Land oder die favorisierte Universität zu besuchen. Dies kann dazu führen, dass man mit der Wahl seiner Gastschule nicht zufrieden ist und daher erst gar keinen Auslandsaufenthalt in Erwägung zieht. Zudem muss ein solcher Aufenthalt auch finanziert werden. Zwar gibt es meist eine staatliche Förderung, doch diese steht nicht allen Studenten zur Verfügung. So muss eine Wohnung, Verpflegung und Freizeit bezahlt werden, was den Geldbeutel deutlich belastet. Zuletzt gibt es sprachliche Barrieren, die einen Auslandsaufenthalt erschweren können. Man braucht meist ein gewissen Sprachniveau der heimischen Sprache des Landes, welches man besucht. So wird in Jaume fast gar kein Englisch gesprochen, was einen Aufenthalt ohne Spanischkenntnisse fast unmöglich macht. „Ich hatte einen Masterkurs mit sieben Studenten, von denen gerade mal einer genug Englisch konnte, um sich mit mir zu verständigen. Am Ende habe ich sie Bilder malen lassen, um den Kurs zu beschäftigen“, so Heimes, „ich selbst würde nicht nach Jaume gehen.“

 

Fazit

Alles in allem ist ein gelungener Auslandsaufenthalt meist vom Land und vor allem der Universität abhängig, welche man besucht. Ein eher kleinerer, abgelegener Ort ist meist kein freudiges Erlebnis. Es kann die Psyche belasten, wenn man sich einsam fühlt, wenn die Verständigung fehlt. Außerdem kann es kostenaufwändig und anspruchsvoll sein, für die eigene Unterkunft und Verpflegung zu sorgen.

Aber ein Erasmusaufenthalt hilft andererseits, neue Erfahrungen zu sammeln und seine eigenen Sprachkenntnisse zu verbessern. Er kann hilfreich für das spätere Leben sein, egal ob im Privat- oder Berufsleben.

Letztlich muss jeder/jede selbst wissen, ob ein Auslandsaufenthalt das Richtige für ihn/sie ist. Fest steht, dass es eine einmalige Erfahrung ist, die man nicht vergessen wird. Ob im positiven oder negativen Sinne ist abzuwarten. Wichtig ist, wenn du ins Ausland willst, informiere dich richtig. Schau dir nicht nur die Universität, sondern auch die Stadt, in die du willst, genauer an und lass dich nicht blenden. Suche nach anderen Studenten, die diese Universität schon besucht haben und lass dir von ihren Erfahrungen berichten, um dir ein besseres Bild machen zu können. Suche im Vorfeld nach einer geeigneten Bleibe und erkundige dich nach der Finanzierung. Und zu guter Letzt: Hab Spaß!